Nachlese: Prof. Dr. Udo Steinbach über die Revolten in Arabien
Diktaturendämmerung: Prof. Dr. Udo Steinbach referierte über die Revolten in Arabien
Für Prof. Udo Steinbach ist klar: Die Welt erlebt mit den Umwälzungen im arabischen Raum einen "Prozess historischer Tragweite". Doch bei seinem Vortrag in der Volkshochschule Osnabrück folgte auch die Kritik des Wissenschaftlers. Die bezog sich auf die bisherigen Reaktionen in Europa, Israel und den USA.
"Arabien im Umbruch – von der Revolte zu neuen Ordnungen?", lautete die Überschrift des Vortrags, den Steinbach im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Diktaturendämmerung" des "Colloquiums Dritte Welt" hielt. Hierzulande verfolge man die Proteste auf der einen Seite mit Sympathie, auf der anderen Seite mit gemischten Gefühlen, weil man nicht wisse wohin die Entwicklung führe, sagte VHS-Direktor Carl-Heinrich Bösling in seiner Einführung.
Diesen Ball griff Steinbach in seinem Vortrag auf. Die Umwälzungen seien in den einzelnen Staaten an verschiedenen Punkten: bereits abgesetzte Machthaber, noch laufende Revolten, erste Modernisierungsschritte von oben oder der Versuch, mit Wohltaten die Bevölkerung ruhig zu stellen. Man müsse davon ausgehen, dass uns allein die erste Phase der Umbrüche zehn bis 15 Jahren berühren würden, prognostizierte der Referent, der sich auch in einem anderen Punkt sicher war: "Die Zeit der Potentaten ist abgelaufen."
Aber wie wird sich der arabische Raum entwickeln? Es bestehe die Gefahr, dass die Bevölkerung "Rattenfängern" auf den Leim gehe, wenn sich ihr Wunsch nach Freiheit und Würde nicht erfülle. In diesem Zusammenhang verwies der Wissenschaftler, der derzeit an der Philipps-Universität Marburg lehrt, auf das neuerliche Chaos in Ägypten.
Kritik äußerte Steinbach zudem an den europäischen Staaten: Sie hätten noch nicht erkannt, dass auch ihre Zukunft von der Entwicklung in Arabien abhänge. Deshalb müssten sie sich für einen Dialog öffnen und wirtschaftlich kooperieren. Sogar als "kontraproduktiv" bezeichnete er die Reaktion Israels, das nicht Verhandlungsbereitschaft zeige sondern mit dem neuen Bau neuer Siedlungen begonnen habe. Das Land hoffe in "tiefster Isolierung" auf die USA, die wiederum in Nahost "alle Karten aus der Hand" gegeben habe, sagte Steinbach. Fraglich sei zudem, welche Rolle die Türkei unter Ministerpräsident Erdogan im Nahen Osten anstrebe.
In der anschließenden Diskussion sprach sich der Referent gegen den Nato-Einsatz in Lybien aus – und räumte zugleich ein, dass Gaddafi in diesem Fall die Revolten wohl niederschlagen hätte. Nach Ansicht Steinbachs wären die Revolten aber wieder aufgelebt, während man aus der Vergangenheit wisse, dass europäische und amerikanische Einmischung immer zu Konflikten geführt hätten.