Nachlese: Jennifer Teege - Ein Massenmörder als Großvater
Jennifer Teege liest aus ihrem Buch über Amon Göth
Während ihres Studiums in Israel hatte Jennifer Teege "Schindlers Liste" gesehen. Als "berührend" hatte sie den Film von Steven Spielberg in Erinnerung – nicht ahnend, dass Amon Göth, der dort von Ralph Fiennes dargestellte brutale Kommandant des Arbeitslagers Plaszow, ihr Großvater war. Davon erfährt sie zufällig 2008. Ein Schock, der zugleich dazu führt, dass sie ihre Familiengeschichte aufarbeitet. Das Ergebnis ist das Buch "Amon – Mein Großvater hätte mich erschossen", aus dem sie in der VHS Osnabrück Auszüge vorlas.
Der Vortragssaal in der VHS ist bis auf den letzten Platz gefüllt.. Das große Interesse gilt der 1970 geborenen Referentin. Ihren Vater, ein Nigerianer, lernt Jennifer Teege erst als Erwachsene kennen. Ihre Mutter ist die 1945 geborene Monika Göth, Tochter des sadistischen Lagerkommandanten. Diese gibt ihr Kind zur Adoption frei. Zu ihrer Mutter und zu ihrer Großmutter – der Lebensgefährtin von Amon Göth – hat Jennifer Teege anschließend allerdings weiterhin, wenn auch unregelmäßig, Kontakt.
Doch das Familiengeheimnis erfährt sie von diesen nicht. Stattdessen hilft ein Zufall nach: In einer Bibliothek fällt ihr das Buch "Ich muss doch meinen Vater lieben, oder?" von Matthias Kessler in die Hände, durch das sie auf den ihr unbekannten Teil der Familiengeschichte stößt.
In der VHS Osnabrück schildert Jennifer Teege nun, welche Folgen diese Erkenntnisse für sie haben. Denn zunächst wird sie durch das Wissen komplett aus der Bahn geworfen. Sie recherchiert das Leben ihres Vorfahren, es ist das Eintreten in ein "Gruselkabinett". Daneben erschreckt sie die Erkenntnis, dass ihre Großmutter – zu der sie ein gutes Verhältnis hatte – ganz in der Nähe des Konzentrationslagers lebte und damit Zeugin des Terrors gewesen sein muss. Darüber hinaus muss Jennifer Teege damit klarkommen, „eine Göth“ zu sein. So stellt sich für sie zum Beispiel die Frage, wie sie gegenüber ihren israelischen Freunden mit diesem Wissen umgehen soll.
Das Buch von Kessler "ist der Schlüssel zu meiner Familiengeschichte, zu meinem Leben, den ich immer gesucht habe", lautet eine Passage in ihrem Buch. Denn so bitter die Erkenntnis für Jennifer Teege auch ist, einen Massenmörder zum Großvater zu haben, so wichtig ist es für sie, die Wahrheit über ihre Familie zu kennen. Als hilfreich erweist sich ihre Spurensuche: Auf den Reisen nach Krakau nähert sie sich der Geschichte ihrer Familie an und lernt schließlich, damit umzugehen: "Heute ist meine Traurigkeit verschwunden", lautet ihr Schlusssatz.
(Müller-Detert)