Nachlese | Religion oder Profit? Terrorismus in Afrika
Journalist Marc Engelhardt berichtet an der VHS Osnabrück
"Heiliger Krieg – heiliger Profit: Afrika als neues Schlachtfeld des internationalen Terrorismus", lautete der Titel des Vortrags. Engelhardt nahm in der VHS drei Gruppen in den Blick: Boko Haram in Nigeria, Al-Qaida im Islamischen Maghreb, deren Mitglieder aus allen Staaten der Sahara und der Sahelzone stammen, und Al-Shabaab in Somalia. Seine Ausführungen ergänzte er mit einigen Passagen seines Buches.
Boko Haram gilt zwar als islamistische Terrorgruppe – jüngst bekannt sie sich zum Islamischen Staat – doch der Profit scheint eine größere Rolle als die Religion zu spielen. Das zeigte der Referent nicht nur anhand der aufsehenerregenden Massenentführung nigerianischer Schulmädchen 2014 in Chibok auf, der Schutzgeldforderungen voraus gegangen waren. Engelhardt beleuchtete auch die Aktivitäten rund um Drogengeschäfte, Waffenschmuggel und Raubüberfälle.
Als "Räuberpistole, allerdings eine wahre", bezeichnete Engelhardt die Vorgänge in Algerien und im Norden Malis. Der Journalist, der seit mehr als zehn Jahren für Hörfunk, Fernsehen und Printmedien aus Afrika berichtet, zeichnete die verworrene Geschichte der heutigen Terrorgruppe Al-Qaida im Islamischen Mahgreb und deren Verbindungen zum algerischen Geheimdienst nach. Höhepunkt der "Räuberpistole": Die Entführung und vermutlich inszenierte Befreiung von Touristen im Jahr 2003. Die trug schließlich dazu beitrug, dass die USA eine Terrorgefahr in der Sahara ausmachten – und erhebliche Mittel lockermachten, mit der die Region militärisch aufgerüstet wurde.
Schließlich wandte sich Engelhardt noch al-Shabaab in Somalia zu. Auch hier habe der Terror weniger mit einem "religiösen Gottesstaat" zu tun, sondern mit Profit und Einfluss. Dazu passt 2013 der Anschlag in Nairobi auf eine Shopping Mall, der einherging mit einem Friedensangebot an die kenianische Armee – und damit letztlich zu Vorteilen beim einträglichen Geschäft mit Holzkohle. Hier kassiert die Miliz durch Zoll, Wegegeld und Steuern.
Wie lässt sich den Terroristen Einhalt gebieten? Der Erfolg der Terroristen beruhe nicht allein auf Gewalt, erläuterte Engelhardt. Vielmehr böten die Gruppen häufig mehr Stabilität als die Regierung, unterstützten arme Bevölkerungsgruppen und beschnitten die Macht der wohlhabenden und einflussreichen Schichten. Insofern reiche es nicht, die Geldquellen der Terroristen trockenzulegen. Genauso müsse der Staat der Bevölkerung eine Alternative bieten. Doch genau hier liege das Problem, sagte der Referent: Die Regierungen würden den Staat in vielen Fällen ebenfalls nur als Beute betrachten und hätten deshalb kein höheres Ansehen bei den Menschen als die Terroristen.
(Henning Müller-Detert)