Nachlese: J. Abdul-Karim über Facebook und die arabische Revolution
Mehr Jugend- als Facebook-Revolution
Vortrag von Jaafar Abdul-Karim an der VHS Osnabrück
Schnell waren Schlagworte wie "Facebook-Revolution" gefunden. Jaafar Abdul-Karim, Journalist und Moderator der Jugendtalkshow "Shababtalk" der Deutschen Welle, bewertete die Vorgänge in den arabischen Ländern etwas anders: "Es war eine Jugendrevolution, die von sozialen Netzwerken geprägt waren", sagte er bei seinem Vortrag an der VHS Osnabrück. Abdul-Karim war während der Kämpfe in Libyen und bei den Revolten in Tunesien und Ägypten Berichterstatter für die Deutsche Welle.
"Facebook, Twitter, Youtube waren ‚nur’ die Beschleuniger der arabischen Revolution aber nicht ihre Macher", lautete der Titel des Vortrags, der zugleich Abschluss der Veranstaltungsreihe "Diktaturendämmerung" im Rahmen des Colloquiums Dritte Welt war. Abdul-Karim integrierte dabei direkt Blogger-Beiträge, etwa von Wael Abbass aus Ägypten, Lina Ben Mhanni aus Tunesien, Gaidaa aus Libyen und Hussein Ghreir aus Syrien. Anhand ihrer Aktivitäten im Internet zeichnete der 30-Jährige nach, wie die sozialen Netzwerke für Meinungsaustausch und Organisation genutzt wurden. Das gilt insbesondere für die Demonstrationen am 25. Januar 2011 in Kairo, die die Machthaber vollständig überraschte.
Allerdings: Diese Bewegungen kamen nicht aus dem Nichts, stellte Abdul-Karim klar, womit er die Bedeutung der sozialen Netzwerke relativierte. Startschuss war schon 2004/2005, als das Internet in Ägypten Einzug hielt und eine Plattform für Politik abseits der staatlich gelenkten Medien und ein Tor zu Nachrichten aus dem Ausland bot. Großen Einfluss hatten zudem Videos über Folterszenen des staatlichen Geheimdienstes, die Wael Abbass online gestellt hatte. Eine wesentliche Rolle spielte zudem der Sender Al Jazeera, der durchgängig für Berichterstattung vor Ort sorgte und damit die staatlichen Versuche unterlief, die neuen Medien zu unterbinden.
Abdul-Karim kam außerdem zu dem Ergebnis, dass die sozialen Netzwerke in zwei Punkten einen wesentlichen Beitrag liefern konnten: Über sie konnte internationale Aufmerksamkeit erreicht wie auch Kampagnen für die Freilassung von Inhaftierten initiiert werden. Weniger erfolgreich waren sie allerdings bei den Wahlen in Ägypten, sagte der Referent. Hier habe sich bemerkbar gemacht, dass große Teile der Bevölkerung keinen Internetzugang besitzen, weshalb die Botschaften der Aktivisten nicht durchdringen konnten. Somit lautete Abdul-Karims Gesamtergebnis über Facebook & Co: "Die sozialen Netzwerke haben eine Rolle gespielt, die Revolutionen waren aber auch ohne sie möglich."
(Müller-Detert)