Nachlese: Pim van Lommel zieht Schlüsse aus Nahtod-Forschung

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"Endloses Bewusstsein - Neue medizinische Fakten zur Nahtod-Erfahrung" - in einem außergewöhnlichen Vortrag zu einem schwierigen Thema kamen der Kardiologe Pim van Lommel und Ingrid Drees (Netzwerk Nahtoderfahrung) zu dem Schluss, dass "der Mensch mehr zu sein scheint als nur sein Körper".




"Der Mensch scheint mehr zu sein als nur sein Körper". Auf diesen Punkt brachte Pim van Lommel, niederländischer Arzt und Nahtodforscher, die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema Nahtoderfahrung im vollbesetzen Vortragssaal der VHS. Mitgebracht hatte er Ingrid Drees, die seine theoretischen Ausführungen durch einen Bericht einer eigenen nahtodähnlichen Erfahrung  unterstützte.

Van Lommel, bis 2003 als Kardiologe am Rijnstate-Krankenhaus in Arnheim tätig, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Phänomen der Nahtod-Erfahrung und war an einer breitangelegte wissenschaftliche Langzeit-Studie an 344 holländischen Patienten beteiligt. Die Studie wurde 2001 im Lancet publiziert und van Lommels diesbezügliche Schlussfolgerungen sind zum Teil stark umstritten.

Forschungen zu Nahtod-Erfahrungen seien nicht zuletzt deshalb so schwierig, so van Lommel, weil sich viele Betroffene überhaupt nicht oder erst nach vielen Jahren trauten, über ein Erlebnis zu berichten, das in der Regel zwar positiv, aber dennoch in seiner Intensität und Nachwirkung traumatisch und für den Einzelnen schwer zu akzeptieren und zu integrieren sei. Angst vor Ablehnung, aber auch fehlendes Wissen und eine daraus resultierende Hilflosigkeit oder Ignoranz beim medizinischen Personal erschwerten zudem, offen mit dem Erlebten umzugehen. Deshalb sei eine weitaus höhere Dunkelziffer in diesem Bereich zu vermuten.

Denn das "Geschenk", seinem Inhalt nach eigentlich ein Grund zur Zuversicht und Freude, löse zwar bei fast allen einen anhaltenden und tiefgreifenden Bewusstseinswandel aus, sei aber dennoch für viele schwer zu verkraften und zu verarbeiten. Das zeige sich in der Langzeitstudie durch das Auftreten von Depressionen, Einsamkeit und Heimweh selbst viele Jahre nach dem Ereignis.

Doch was versteht man unter einer Nahtod-Erfahrung? Ein solches Phänomen zeichnet sich laut van Lommel aus durch ein intensives Empfinden, das die Betroffenen im Nachhinein kaum in Worte fassen können. Dies kann sich beziehen auf Farben, Gerüche, Klänge oder die Aufhebung des Raum-Zeitempfindens. Es kann zu Tunnelvisionen wie auf dem bekannten Gemälde von Hieronymus Bosch kommen, zur Begegnung mit längst Verstorbenen, zur Lebensrückschau oder zu außerkörperlichen Erfahrungen. Ein intensives Gefühl des Eins-Seins sowie eine große Verbundenheit, ein Gefühl allumfassender Liebe und hohe Sensitivität tauchen in vielen Beschreibungen auf, aber auch fast immer Enttäuschung, wenn klar wird, dass der Weg nicht weiter ins Licht, sondern zurück ins Leben geht.

Van Lommel berichtete, dass eine solche Erfahrung nicht nur mit einem tatsächlichen Todeserleben in Verbindung stehen muss, ähnliche Berichte existieren auch von Menschen, die sich kurz vor einem lebensgefährlichen Unfall sahen, sich in tiefer Meditation oder Hypnose befanden oder unter Drogen standen Manchmal kann das Ereignis, wie Frau Drees im Anschluss aus eigener Erfahrung glaubhaft und anschaulich erzählte, auch in Zusammenhang mit einem Traumerleben stehen.

Mit der oben bereits erwähnten Studie machte van Lommel nun den Versuch, dieses Phänomen unter wissenschaftlichen Aspekten zu untersuchen. Ausgewählt wurden dafür Patientinnen und Patienten, die in Krankenhäusern einen Herzstillstand von mehr als 60 Sekunden erlitten hatten und deren EEG eine Nulllinie aufwies – die also kurzfristig klinisch tot waren, bevor die Wiederbelebung gelang.

82% der Studienteilnehmer konnten dabei von keiner besonderen Erfahrung berichten, bei 18% jedoch traten intensive Nahtoderfahrungen auf, die vor allem bei der außerkörperlichen Wahrnehmung durch anwesendes Klinikpersonal oder Angehörige verifiziert werden konnten. Dies verdeutlichte van Lommel durch Erfahrungsberichte von Ärzten, Pflegern und Patienten.

Differenziert begegnete van Lommel im Anschluss den Fragen aus dem Publikum nach der Auswirkung seiner Thesen auf die Abtreibungs- und Organspende-Diskussion. Selbst weder Abtreibungsgegner noch Gegner einer Organentnahme nach deutscher Praxis sprach er sich dennoch dafür aus, die Informationspraxis und Diskussionsgrundlage zu überdenken und Aspekte eines möglicherweise vom voll funktionsfähigen Gehirn unabhängigen Bewusstseins in diesbezügliche Überlegungen und Entscheidungen mit einzubeziehen.

Van Lommels Schlussfolgerungen, dass es ein vom Gehirn unabhängiges, universelles Bewusstsein geben müsse (hier kam wiederholt die Quantenmechanik zur Sprache), dass das Gehirn nur eine Schnittstelle und sozusagen eine Sende-/Empfangsstation sei und es eine Wahrnehmung jenseits der Sinne gebe, muten erst einmal phantastisch und mystisch an – und haben auch bei Wissenschaftlern zu Ablehnung  geführt.

Auf der anderen Seite sind existentielle Fragestellungen des Lebens und des Todes auch mit heute scheinbar allgemeingültigen wissenschaftlichen Erklärungen nicht wirklich befriedigend zu  beantworten und es bleiben an vielen Stellen mehr Fragen als Antworten.

Und so beendet Van Lommel seinen Vortrag mit dem Plädoyer, in der Wissenschaft mit offenem Verstand Fragen zu stellen und nach neuen Mysterien zu suchen, statt alten Konzepten anzuhängen.

Ein insgesamt nachdenklich machender Vortrag eines sympathischen und integren Gastes, der von seiner Grundaussage für uns eigentlich sehr tröstlich sein könnte, der aber große Aufgeschlossenheit für eine ganz andere Art des Denkens und Glaubens voraussetzt, als dies in unserer materialistisch-reduktionistischen Welt im Augenblick der Fall ist.

(Ha)


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