Nachlese: Prof. Dr. Harald Welzer über Soldaten im 2. Weltkrieg

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Der Zweite Weltkrieg unterscheidet sich insbesondere in zwei Punkten von anderen Kriegen, stellte Prof. Harald Welzer fest: Das sind die ideologische Begründung sowie Vernichtungsaktionen ohne militärischen Zweck. Doch unterscheiden sich auch die Handlungen der Wehrmacht von denen anderer Armeen? Hier kommt der Direktor des Centers for Interdisciplinary Memory Research am KWI Essen in seinem Vortrag an der VHS zu einem anderen Ergebnis




Nachlese: Prof. Dr. Harald Welzer referiert über Alltagsgespräche des Krieges

Welzer war am Dienstag, 11. Oktober 2011, zu Gast in der Volkshochschule der VHS Osnabrück. Sein Thema: "Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben."

Zusammen mit Prof. Sönke Neitzel hatte der Referent 150 000 Seiten Abhörprotokolle deutscher Soldaten in britischer und amerikanischer Gefangenschaft ausgewertet. Der Unterschied zu Ergebnissen aus Verhören oder Gerichtsverfahren: Hier wurden Alltagsgespräche festgehalten, die eine "Perspektive in historischer Echtzeit" bieten.

Gerade die Wehrmachtsausstellung hatte die Frage aufgeworfen, inwieweit Soldaten an den NS-Verbrechen beteiligt waren. Ein aufschlussreiches Ergebnis der Abhörprotokolle: Sämtliche Aspekte der Judenvernichtung finden sich in den Gesprächen wider, zum Teil im Rahmen eines anderen Gesprächsthemas einfließend. Kritik am Terror kommt selten vor, häufig wird auch die eigene Beteiligung – bisweilen übertrieben – eingeräumt. Die Schlussfolgerung des Referenten: Die Soldaten wussten auf jeden Fall von den Morden und waren in vielen Fällen auch beteiligt.

Zugleich sind die Gespräche aber vergleichsweise ideologiefrei. Sicher: Natürlich wurden Überzeugungstäter abgehört, so Welzer. Genauso wurden aber auch Gespräche von Anti-Nazis und noch viel häufiger von unpolitischen Soldaten protokolliert. Die Ergebnisse waren dabei auf den ersten Blick oft überraschend: Auch überzeugte Nationalsozialisten äußerten sich mitfühlend angesichts der barbarischen Behandlung von sowjetischen Kriegsgefangenen. In anderen Fällen empörten sich Soldaten über "die Braunen" – und hießen die Verfolgung der Juden aber "einwandfrei".

Welche Schlüsse zieht Welzer nun daraus? Die Dokumente bilden eben nicht den Gesamtzusammenhang, den Historiker später entworfen haben. So kann ein Soldat die Ermordung von Juden anprangern aber zugleich schreckliche Vergeltungsaktionen nach Partisanenangriffen rechtfertigen. Für den Wissenschaftler ist daher der "militärische Referenzrahmen" entscheidend. Die "soziale Nahwelt" ist auf das Soldatensein begrenzt, häufig spielt nicht der ideologische Überbau die entscheidende Rolle sondern die Gruppe, in der sich die Beteiligten bewegen. Und wie im sonstigen Leben auch wird das Tun nicht permanent reflektiert. So kommt Welzer zu dem Ergebnis, dass Kriegsverbrechen oft unabhängig von der Überzeugung geschehen.

Die verstörende Weiterentwicklung dieses Gedankens: Wenn heutzutage zum Beispiel Verbrechen in Afghanistan bekannt werden, gelten diese als Ausnahme, die in den Medien "skandalisiert" wird. Welzers Überzeugung sieht aber anders aus: Im Krieg droht ständig die "Entgrenzung" der Gewalt: "Das passiert immer und pausenlos."


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