Nachlese: Ulrich Tilgner über das Pulverfass "Mittlerer Osten"
Die vermeintlich gute Nachricht von Ulrich Tilgner: Er erwartet keinen Krieg gegen den Iran. Die Zukunftsaussichten, die der langjährige Teheran-Korrespondent bei seinem Vortrag in der Volkshochschule Osnabrück für das Land zeichnete, waren dennoch trübe. Durch die Sanktionen drohe der Iran zu "implodieren".
"Pulverfass Mittlerer Osten – Welche Rolle spielt der Iran?", lautete der Titel des Vortrags, der Teil der Veranstaltungsreihe „Diktaturendämmerung – Die arabische Welt im Wandel“ des Colloquiums Dritte Welt war. Tilgner war nun bereits zum dritten Mal zu Gast in der Volkshochschule: "Zum Glück", so VHS-Direktor Dr. Carl-Heinrich Bösling in seiner Begrüßung, weil der ehemalige Leiter des ZDF-Büros in Teheran Kenner der Region sei. Und zugleich "leider", denn der Nahe und Mittlere Osten komme als "Krisenherd" weiterhin nicht zur Ruhe, sagte Bösling.
In seinem Vortrag behandelte Tilgner nun verschiedene Bereiche: Die inneriranischen Machtverhältnisse, die Rolle der USA und die Optionen Israels. Dabei stellte der Korrespondent fest, dass nicht Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad sondern Ajatollah Ali Chamenei der starke Mann im Iran sei. Und der Befund zur Opposition: Sie spiele kaum noch eine Rolle, nicht allein wegen der Repressionen sondern auch wegen fehlender Programme: "Die Konservativen haben die Macht auf den Straßen zurückerobert", sagte Tilgner.
Wie wird es nun im Iran weitergehen? Hier zeichnete der Referent verschiedene Entwicklungsstränge nach, die auch das Atomwaffenprogramm einbezogen. Mit einem militärischen Eingreifen der USA rechnet Tilgner allerdings nicht: Zum einen verfüge die Weltmacht nicht über die Mittel für einen entsprechenden Einsatz. Zum anderen drohe dann, dass der Ölpreis weiter steige, was die Vereinigen Staaten als extrem importabhängiges Land besonders stark treffen würde. Israel wiederum könne auf sich alleingestellt ebenso wenig ausrichten, fasste Tilgner die Situation zusammen.
Bleiben also die Sanktionen – und die seien das falsche Mittel, lautete das Ergebnis des Referenten: "Wenn die Politik nicht geändert wird, wird Iran die Bombe bauen", so Tilgner. Dazu drohe ein "klassischer asymmetrischer Krieg", also nicht durch das Militär sondern durch Selbstmordattentäter. Gleichzeitig würde jede wirtschaftliche Entwicklung durch die Zwangsmaßnahmen unmöglich, mit unabsehbaren Folgen im Inneren, da die derzeitige Führung nicht kampflos aufgeben werde: "Dem Iran wird die Luft für eine Entwicklung genommen. Das Land wird implodieren.", lautete das düstere Fazit Tilgners.
(Müller-Detert)